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Stadtporträt
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Größte Auswanderungswelle nach Amerika

Im wirtschaftlich-sozialen Bereich finden wir die Gründe und Ursachen, die zu der hohen Zahl der Amerikaauswanderer führte. Die Bevölkerung lebte in unserer Heimat von der Landwirtschaft und von der Flachsverarbeitung. Im 19. Jahrhundert vollzog sich ein weitgehender Strukturwandel, nämlich einschneidende Reformen in der Landwirtschaft und die beginnende Industrialisierung. Für viele Menschen bedeutete das eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage.

Die Heuerlinge unserer Heimat waren unter den Amerikaauswanderern stark vertreten. Sie hatten weder Haus- noch Grundbesitz. Sie pachteten von einem Bauern etwas Land und wohnten bei ihm im Kotten zur Miete. Durch die Arbeit auf dem Bauernhof konnte die Miete und die Pacht abgegolten werden. Ohne eine regelmäßige Arbeit konnten die Heuerlingsfamilien nicht existieren.

Die wichtigste Einnahmequelle bildete der Anbau und die Verarbeitung von Flachs neben der Landwirtschaft. Mit der Erfindung der Spinnmaschinen und mechanischen Webstühle begann ein aussichtsloser Wettbewerb. Gegen die ausländische Konkurrenz, die zu viel billigeren Preisen lieferten, konnten die häuslichen Spinner und Weber ihre Produkte nicht mehr absetzen. Es kam noch hinzu, dass der Flachs von der Baumwolle zunehmend verdrängt wurde. Zu einer außergewöhnlichen Ernährungskrise kam es gleichzeitig durch aufeinander folgende Missernten in den Jahren 1845 bis 1848.

Dieses Zusammentreffen - Erntekrise und Niedergang der Leinenindustrie - hatte eine katastrophale Massenarmut zur Folge.

Für die Bedürftigen wurden in den Gemeinden Unterstützungsfonds gebildet. Verschiedene Vereine sammelten Gelder, Kaufleute und Colone spendeten Getreide, Kartoffel und Flachs, die den Notleidenden zur Verfügung gestellt wurden. Für eine größere Anzahl erwerbsloser Heuerlinge brachte der Bau der Köln-Mindener Eisenbahn nur eine vorübergehende Verbesserung.

Die Auswanderungspolitik des preußischen Staates war ein Faktor, der die Auswanderungsbewegung hemmen oder fördern konnte. Bis in das 17. und 18. Jahrhundert bestand die Auswanderungspolitik Preußens darin, die Bevölkerung im Lande zu halten. Das änderte sich, als im Zuge einer gewissen Liberalisierung den Untertanen die Auswanderungsfreiheit zugestanden wurde, in Preußen 1818. Wer auswandern wollte, wurde über die Lebensbedingungen belehrt und darauf hingewiesen, dass er nunmehr aufhöre, preußischer Untertan zu sein. Mit dem Gesetz betreffend die Beförderung von Auswanderern, suchte der Staat 1853 die Auswanderung wieder unter seine Aufsicht zu stellen, da der Auswanderungsstrom immer mehr anwuchs.

Für die Auswanderer aus unserer Heimat gab es im Rahmen dieser gesetzlichen Regelung drei Möglichkeiten, das Land zu verlassen:

1. Die Auswanderung mit Consens (Erlaubnis)
Der Auswanderungswillige reichte ein Auswanderungsgesuch ein, die Behörde überprüfte bei jungen Männern die Ableistung des Wehrdienstes, der Ortsvorsteher stellte fest, ob finanzielle oder familiäre Verpflichtungen vorlagen und nach einer Belehrung über den Verlust der Staatsangehörigkeit erhielt der Antragsteller die Entlassungsurkunde.

2. Die Auswanderung mit Reisepass
Man beantragte einen Reisepass, fuhr in die USA und entschied sich dort, ob man blieb oder in die Heimat zurückkehrte.

3. Die Auswanderung ohne Consens
Hierbei handelte es sich um ein unerlaubtes Verlassen des Landes. Viele junge Männer wollten sich dem Militärdienst entziehen, und manche Frauen und Mädchen wussten wohl nicht, dass alle Personen die Erlaubnis haben mussten.

Der Entschluss, die Heimat zu verlassen und in Amerika das Glück zu suchen, bedeutete für unsere Auswanderer zunächst eine mühevolle, gefährliche und abenteuerliche Reise. Bis in die 1840er Jahre begann die Fahrt mit dem Flusskahn auf der Weser nach Bremen, dem nächstgelegenen Hafen. Von 1843 an übernahmen die Schiffe der Vereinten Weser-Dampfschifffahrt die Beförderung der Auswanderer, die für die Thalfahrt von Hannoversch-Minden nach Bremen in Gesellschaft von wenigstens 10 Personen a Person 2 Thaler bezahlten. Der Ausbau der Weserschifffahrt ging in Anbetracht der hohen Zahl der Auswanderer schnell voran, so dass 1847 bereits 6 Dampfschiffe verkehrten. 1847 wurde der Eisenbahnverkehr auf den Strecken Minden-Hannover und Wunstorf-Bremen aufgenommen. Die Köln-Mindener Eisenbahn war bereits vorher fertiggestellt. Dies war eine entscheidende Verbesserung für die Reise nach Bremen und die Auswanderer konnten Bremen in wenigen Stunden erreichen.

Nicht alle Auswanderer aus unserer Heimat fuhren über Bremen. Manche wählten die vermeintlich kostengünstigere Fahrt über Duisburg, den Rhein hinunter nach Rotterdam, von dort nach England und von Liverpool mit englischen oder amerikanischen Schiffen nach Amerika.

Aus dem Amt Bünde sind in der Zeit vor 1850 bis 1900 ausgewandert:

 

  Familien Erwachsene Kinder Einzelauswanderer gesamt
legal 114 207 312 270 789
illegal 42 77 48 169 294
gesamt 156 284 360 439 1083


Literaturhinweis:

Wittekindsland: Beiträge zur Geschichte, Kultur und Natur des Kreises Herford
herausgegeben und verlegt vom Kreisheimatverein Herford
Löhne, 1990

[Heft 3: Amerikaauswanderer aus dem Ämtern Bünde, Rödinghausen, Kirchlengern und Gohfeld-Mennighüffen im 19. Jahrhundert]

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